Zum Lobe einer bess'ren Welt

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Sprache: Deutsch
Eröffnet: 26.05.2011
Von: Varon
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Varon
26.05.2011, 16:34 von Varon: Nr. 1
Einem Whiskey darf man nicht widerstehen.

Es war 5 Uhr morgens, als der Barmann mich rauswarf. Er und ich waren seine letzten Gäste. Eine halbe Stunde hatte ich mich noch an meinem Drink festhalten können, aber um 5 war Sense. Hatte er selbst so gesagt: Sense.
Betrunken aber nicht ziellos stolperte ich durch die leeren Straßen einer Stadt im Tiefschlaf. Es muss doch noch irgendwo ein E-ta-blis-e-ment geben, wo ich noch was zu trinken krieg! dachte ich bei mir und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen durch den Nebel, der über den Gehweg waberte und irgendwie genauso betrunken und langsam wirkte wie ich.

Ich entdeckte, dass ich in irgendeiner dunklen Seitengasse war, als das schwache Licht eines Premiereschildes durch den Nebel zu mir durchleuchtete. Es erschien mir wie der Stern von Bethlehem, nur irgendwie abgefuckter, und ich folgte ihm. Da ist noch 'ne Bar offen, dachte ich freudig, da gibt’s noch Alkohol, ich kann ja jetzt unmöglich nach Hause gehen, ist ja noch nicht mal hell! Zielstrebig aber in kleinen, freudigen Kurven strebte ich zum Licht wie eine Motte und wäre aufgrund der hypnotischen Wirkung auf mein zugedröhntes Hirn fast vor die Einganstür gelaufen.
Aber eben nur fast.

Die Bar war klein. So klein, das ich schwören könnte, dass nur ich und der Wirt in ihr Platz hatten ohne dass es überfüllt wirkte. Aber es waren ja auch nur der Wirt und ich da.
"Hallo.", sagte er freundlich.
"Halllllo.", lallte ich besoffen.
Ich setzte mich auf einen Barhocker und hielt mich am Thresen fest.
"Ich hätt gern 'nen Cuba Libre.", sagte ich.
"Also einen Whiskey.", sagte er.
"Wat? Nee, neee, einen Cuubaa Liiibree. Von mir aus auch ohne Limetten. Und ohne Cola. Quasi nur Cuba."
"Tut mir Leid, es gibt nur Whiskey. Hier, ich geb dir den Whiskey sogar aus."
Ich wurde stutzig. Nur Whiskey? Nach 'nem irisch Pub sah das nicht gerade aus. "Einem Whiskey darf man nicht widerstehen.", sagte er und zwinkerte mir verheißungsvoll zu. Recht hat der Mann, dachte ich mir. "Dann einen Whiskey Joe!", sagte ich. Der Wirt schmunzelte. "Joe? Warum gerade Joe?" - "Weiß nich'. Du schaust aus wie ein Joe. Oder ein Jonathan. Aber Joe kann ja von Jonathan kommen. Nich? Nich." Joe nickte zustimmend.
"Weißte...", begann ich murrend, "Ich hatte heute de Unizeitung in der Hand und guck mir da so die die na die Dings, die Leute an die sich so für'n Studentenrat bewerben.... und guck so... Lebensmotto, gell. Schtehn da bei Zweien total die Klugscheißersprüche! Weißte? "Im Zweifel für den Zweifel". Hatte der eine da schtehn. "Ich möchte Teil eina Jugendbewegung sein." Der andere. Geklaut! Alles nur geklaut! Is nämlich von Tocotronic. Und de ham nisch zitiert!"
Joe lächelte gütig.
"Du doch auch nicht.", sagte er. Ich war verwirrt. "Bitte? Ich klau doch nich.", gab ich zurück und suchte den roten Faden.. "Du weißt es nur noch nicht.", sagte Joe. Er füllte sein Whiskeyglas wieder auf und füllte mein Whiskeyglas wieder auf, tat zwei Eiswürfel in Pinguinform dazu. "Hier.", sagte er und schob mir den Whiskey zu. "Zum Lobe einer bess'ren Welt." Der letzte Satz ging an mir vorbei. Ich nahm den Whiskey, machte kleine Schwenkbewegungen mit der Hand wie gesittete Engländer dies mit ihrem Whiskey zu tun pflegen, hörte den Pinguinen beim klimpern zu und nickte, als hätte ich Ahnung von dem, was Joe sagte.

Eine Weile tauschten wir friedfertiges Schweigen aus. Wir tranken. Und wir tranken aus.

"Ich möchte den Sinn des Lebens finden, Joe.", sagte ich und versuchte dabei so ernst und seriös zu klingen, wie ich mich fühlte. Es gelang mir nicht im Ansatz. Aber Joe lächelte nur. "Schau mal auf dem Boden deines Glases nach.", sagte er. "Habsch schonn. Da isser nicht."

Einem Whiskey darf man nicht widerstehen. Zum Lobe einer bess'ren Welt, dachte ich bei mir.
"Ein Gedanke wird kommen. Und der wird dich gern haben.", versuchte Joe einzulenken. Grundlos wurde ich wütend. "Ach scheiß doch auf Metaphern, die sind böse und falsch. Und die ham Pickel im Gesicht, die sin nich schön. Also! Was is nu mit'm Sinn des Lebens?!", fragte ich.
Jonathan oder Joe lachte. "Nee, nee.", sagte er kopfschüttelnd und hob belehrend den Zeigefinger, während er zwei pinguinförmige Eiswürfel in die leeren Gläser warf. "Nicht Sinn. Sein." - "Wat?" - "Nicht Sinn des Lebens. Frag nach dem Sein des Lebens." - "Kapiersch nich." Jonathan sah mich an und schob mir das aufgefüllte Whiskeyglas zu. Der Pinguin schwamm mit dem Bauch nach oben. Dann erklärte er: "Der Optimist sagt: 'Das Leben ist eines der Besten. Genieße jeden Moment und liebe deinen Nächsten, dann wirst auch du geliebt.'
Der Pessimist sagt: 'Das Leben ist eines der Schwersten. Sieh zu, dass du damit klar kommst, oder geh' zu 'nem Psychater.'
Aber ich sage: 'Das Leben ist.'"

Und da verstand ich.

Etliche Nächte später fand ich mich selbst immer wieder auf's Neue in der kleinen, dunklen Seitengasse wieder. Etliche Nächte später stand ich immer wieder auf's Neue vor der Tür unter dem Premiereschild. Doch dort einen Whiskey zu trinken braucht keiner von euch hoffen – diese Bar hatte nie wieder offen.

(gelöscht) von Kaeru Nr. 2

Varon
26.05.2011, 17:51 von Varon: Nr. 3
Dankeschön wirklich :) Wenn meine Texte umhauen finde ich das noch besser, als wenn sie brilliant sind, hehe.

Aber warum wäre Poe stolz auf mich? Wegen dem leicht leicht zart mystischen touch? Oder wegen dem Whiskey *grins*

(gelöscht) von Kaeru Nr. 4

Varon
26.05.2011, 17:58 von Varon: Nr. 5
Wer weiß... *Bart zwirbel* ;)

(gelöscht) von Kaeru Nr. 6

Varon
26.05.2011, 18:02 von Varon: Nr. 7
Ach Poe hat doch viel schönere Geschichten mit viel schöneren Peng!-Pointen geschrieben. Finde ich! Seine Kriminalgeschichten zum Beispiel.

Aber was das wer weiß betrifft,... ja, da mag der Rabe zu recht erwähnt sein.

(gelöscht) von Kaeru Nr. 8

Varon
27.05.2011, 12:18 von Varon: Nr. 9
Ha! Der Text hat gestern auf dem Poetryslam eingeschlagen wie eine Bombe :)

(gelöscht) von Kaeru Nr. 10

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